Re: Südkorea
von Dreamer » Mo 25. Okt 2010, 16:30
Die Szene beim Landeanflug ist eigentlich typisch für die aufstrebenden Regionen in Fernost. Da sei die zweimal zehnspurige Autobahn vom Flughafen Shanghai ebenso genannt wie die doppelstöckige Verbindung des Flughafens Incheon zum Festland (leider nicht im Bild). In Korea sind sogar die Wohngebiete zweispurig ausgebaut. Wo wir mit 30-Zonen und Spielstraßen den Verkehr ausbremsen, wird der dort drüben noch gefördert. Es ist halt "schick", mit dem Auto zu fahren, wer zu Fuß geht oder mit dem Bus fährt, gilt als arm.
Bezüglich der Sitzposition beim Essen etc. ist zu sagen, dass das Bewusstsein für (wie sagt man heute?) Menschen mit eingeschränkter Mobiliät nicht so ausgeprägt ist. Das gilt für alle Lebensbereiche, also wie eben schon genannt: Umweltbewusstsein, Barrierefreiheit, soziale Gerechtigkeit etc.
Man muss sich vor Augen halten, dass bei uns die Industrialisierung vor über 150 Jahren eingesetzt hat. Seitdem haben sich die Lebensbedingungen und das Gesellschaftsleben stark gewandelt. Korea war aber bis etwa 1970 ein bettelarmes und nicht entwickeltes Land. Dann kam der wirtschaftliche Aufschwung. Nun möchte man alles nachholen. Dabei orientiert man sich am Luxus und Gigantismus, wie er von den USA vorgelebt wird, leider. Denn das ist insofern problematisch, als dass uns dieser enorme Energieverbrauch eines Tages das Genick brechen wird. Der gesellschaftliche Wandel schreitet auch voran, aber er hinkt dem wirtschaftlichen Aufschwung hinterher. Andererseits kann man auch nicht erwarten, dass sich die Asiaten in vierzig Jahren so weit "entwickeln", wie wir in 150 Jahren. So ist es durchaus noch üblich, dass Paare erst heiraten und dann zusammenziehen, so wie es bei uns vor vierzig Jahren ja auch noch erwartet wurde.
Um mal wieder aufs Essen zurückzukommen: Ich kann mich nicht daran erinnern, Rollstuhlfahrer gesehen zu haben. Zwar gibt es alle möglichen Formen von Restaurants (neben den traditionellen Küchen erfreuen sich westliche Konzepte natürlich größter Beliebtheit) und ebenfalls ist der Zusammenhalt in der Familie noch stärker, aber ich hatte den Eindruck, dass sich sowas wie Alter und Behinderung eher hinter verschlossener Tür abspielt. Im Prinzip muss sich das öffentliche Leben also vor allem dem Diktat der aufstrebenden Wirtschaft unterordnen. Ich schreibe jetzt zwar in erster Linie über Korea, aber das gilt eigentlich für viele Regionen der Welt. Im Nahen Osten ist es z.B. nicht anders.
Der asiatische Alltag ist gezeichnet von Stress und Hektik und das, was man aus Filmen und Berichten mit asiatischer Gelassenheit, Zen, Meditation etc. kennt, finden die langweilig. Das gibt es nur noch künstlich nachgebildet für Touristen. Ich war tatsächlich mal in einem Buddhatempel, aber wir mussten dafür Stunden fahren. Die Städte sind dagegen reinste Betonwüsten. Man muss aber sagen, dass etwa 70 % der Fläche auch gar nicht besiedelbar ist, weil das Land sehr gebirgig ist. So besteht Gwangyang, einem 20.000-Einwohner-Ort, wo ich öfter war, rein gefühlt nur aus etwa 20 Hochhäusern und einer riesigen Straßenkreuzung. Reiche Geschäftsleute wohnen in einer kleinen Wohnung im 14. Stock. Die Wohnungen sehen auch alle gleich aus. Im Wohnzimmer findet man eine Couch, einen riesigen Flachbildfernseher (damals schon) und einem wandschrankgroßen Klimagerät. Das war es auch schon.
Ein Mann wie ein Baum - sie nannten ihn Bonsai.