Mi 2. Sep 2009, 09:26
Hallo,
nach der Erfahrung, die ich machen durfte, würde ich sagen eine Kleinstadt und dort am Stadtrand leben ist das Beste
Großstadt geht gar nicht. Ich bekomme immer schon nach 3-4 h Freiburg/Stuttgart/Leipzig/Berlin einen Koller. Städte wie Passau find ich auch schon wieder recht groß und dort würden mich als Einwohner die Touris nerven, die langsam und in Schwärmen durch die Straßen latschen.
Allerdings hat die Stadt den Vorteil, dass irgendwie alles zu haben ist.
Früher habe ich meine Sommerferien bei der Großtante auf einem paar-hundert-Seelen-Dorf verbracht. Es gab einen Konsum und eine Dorfkneipe. Heute gibts nur 2 Kneipen und keinerlei Einkaufsmöglichkeit mehr, sie muss immer für jedes Brot etc 8 km in die Kreisstadt ( ein fahrender Händler, den es mal gab, kommt nichts mehr, weil die Leute nichts kauften, weil die Preise bei ihm teurer waren als im Supermarkt.)
Aufgewachsen bin ich in einer knapp 30 000 Einwohnerstadt, direkt am Stadtrand, danach gabs nur noch Felder und Wiesen.
War eine tolle Kindheit und das Wohnen dort war seeeehr ruhig. Unser Haus lag auch nicht an der Straße, sondern hatte Wiese vor und hinter dem Haus. Ich wohnte in einer Siedlung und das war wie ein Dorf. Mindestens 1 Elternteil arbeitete in den Leunawarken ( das Wohngebiet war eine "leuna-Siedlung") und wir Kinder gingen in die gleichen KiTa´s und Schulen. Man blieb irgendwie unter sich. Auch nach der Wende zogen höchstens die Jungen weg, die alten blieben. Aber viele Junge blieben auch in der Siedlung ( 11 kleine Blöcke mit je 3-4 Eingängen zu je 6 Mietparteien), so dass oftmals 3 Generationen zusammen in einem Block wohnten.
War in meiner Familie auch so, später wohnten wir sogar alle in einem Haus.
Es gab eigentlich alles was man zum leben brauchte.
Nun wohne ich in einem Ort, der mit umliegenden Dörfern auf knapp über 9000 Einwohner kommt.
Es gibt 5 Supermärkte, einen Gartencenter, aber keinen Baumarkt, keine Bekleidungsgeschäfte ( als ich her zog gab es 5 Stück und 3 Schuhläden - sind jetzt alle dicht
), naja KIK gibts, aber das ist kein bekleidungsgeschäft
.
Es gibt knapp 10 Friseure und Nagelstudios und ebenso viele Dönerbuden.
Kneipen, allerdings nur direkt im Ort 2 Restaurants ( und beide 0815-Kost aus dem Ländle), die anderen Restaurants, die auch etwas für junge Leute wären ( eine Yuppiebar und eine Nachtbar) sind ebenfalls letztes Jahr geschlossen worden.
Die Post sollte auch geschlossen werden, aber es gab Anwohnerproteste und nun ist die Post nicht mehr in einem eigenständigen Gebäude, sondern in einem Zeitungsladen untergebracht. Die Hälfte der Mitarbeiter weg.
Vor 10 Jahren gabs hier male in Krankenhaus - nun ist da ein Ärztehaus mit 3 oder 4 Praxen und dem einzigen Röntgengerät im Ort. Die Ärztegemeinschaft hat sich das angeschafft, damit nicht wegen jedem Röntgenbild die alten Leute in die Kreisstadt müssen. Wir Junge werden aber immer nach VS überwiesen
Kurz : wenn es was gibt, dann gibts davon viel, an anderen Dingen haperts. Keine Augenärzte, HNO-Ärzte,Internisten, nur einen Gynäkologen.
Man muss immer in die Kreisstadt oder nach Freiburg, wenn man zum Fach-Arzt muss.
Man braucht auch hier ein Auto ( wobei man da in der kreisstadt 25 km entfernt tanken sollte, bei uns ist das Benzin immer etwa 3 Cent teurer), ist dann innerhalb weniger als 1 h auf der Autobahn oder in Freiburg.
Mit öffentlichen Verkehrsmitteln fährt man 1 h in die Kreisstadt ( wenn der Fahrplan passt) und in etwas mehr als 2,5 h in freiburg.
Am Wochenende kommt man nur nach Freiburg, aber nicht in die Kreisstadt, in die Richtung fährt ab Samstag morgen kein Bus mehr bis Montag morgen halb 6.
Was fehlt noch hier : wir haben eine Bibliothek - eine katholische. Bücherinventar : weniger als mein Bücherregal hergibt
Ich bestelle deshalb alles im Internet ( außer tägliche Lebensmittel).
Spart den Einkaufsstress und Versandkosten sind billiger als eine Buskarte oder Benzin und Parkgebühr.
Wenn ich nicht schon ans Alter denken würde ( man sollte Arzt in der Nähe haben, Einkaufsmöglichkeiten, wo man zu Fuß hin kann und eine Kneipe
), wäre mein Traum ganz abgeschieden zu wohnen, etwa so, wie ich das im Urlaub2010- Thread schrieb.
Abgelegen, das nächste Haus schon einige hundert Meter entfernt, der nächste Ort noch weiter weg, viel Grün, Wald, Felder, Wiesen....
Ich brauche einfach Natur, Ruhe, mag keine Zivilisationsgeräusche hören und freue mich, wenn ich mal tagelang keinen anderen Menschen zu Gesicht bekomme.
Ich bin dann immer sehr entspannt, Dinge, die mich jetzt sofort auf die Palme bringen, gehen mir dann am Po vorbei. Ich brauche dann auch keinen Strom, fließens kaltes Wasser reicht mir.
Ich vermisse dann auch kein Internet.
Bin ich aber in der "Zivilisation", dann gehts ohne den Technik-Schnickschnack gar nicht.
Und ich liebe den "Dorfgeruch". Als ich nach vielen Jahren bei meiner Tante war, wo in meiner Kindheit die Jauche am Straßenrand zu finden war - heute sind die Häuser alle weiß, die Straßen perfekt, es gibt kaum Landwirtschaft mehr und es riecht wie in jeder Stadt. Steht der Wind gut kommt mal Geruch vom Wald herüber - das war es dann aber auch.