So 25. Jul 2010, 21:27
Hattest Du sowieso eine Sonderschicht oder wurdest Du gerufen, nachdem das Unglück passierte?
Mein Bruder war mit seiner Freundin dort, deswegen haben wir das Ganze natürlich aufgeregt mitverfolgt. Zum Glück sind sie heile dort rausgekommen. Sie mussten zwar auch über irgendeinen Zaun klettern, sind aber soweit OK. Er hat mich gestern abend um halb elf noch gefragt, wann das denn genau passiert ist. Auf dem Gelände selber wurden die Vorfälle und das Ausmaß nur sehr langsam bekannt. Ich denke, dass viele, die gestern noch in die Kamera gegrinst haben, heute ganz anders drauf sind, nachdem sie in den Medien gesehen haben, was da passiert ist.
Bezüglich der Kritik am Sicherheitskonzept tauchten heute sehr konkrete Details auf. Ich meine, es gibt ja immer Leute, die nachträglich behaupten, sie hätten vorher schon gewarnt.
Nur ist es so, dass man auch ohne Expertenwissen feststellen kann, dass man nicht über eine Millionen Besucher auf ein derartiges Gelände mit nur einem Zugang leiten kann. Das sagt einem schon der gesunde Menschenverstand. Dazu kommt, dass der Platz zwischen einer Bahnlinie und einer Autobahn liegt, also recht eingekesselt. Sehr bezeichnend ist da der Foreneintrag eines Users namens "klotsche" auf
http://www.derwesten.de, der das Szenario schon so vorhergesehen hat:
http://magazine.web.de/de/themen/nachri ... age=0.html. Auch Feuerwehr und Polizei sollen vorher massive Sicherheitsbedenken geäußert haben.
Hier noch einmal zum Nachrechnen: Je nachdem, wem man glaubt, soll der Platz für 250.000 Leute ausgelegt sein. 500.000 wurden bei der Stadt angemeldet. Bei der letzten Love Parade vor zwei Jahren kamen jedoch 1,6 Mio. Besucher. Mit über einer Million musste man also schon rechnen. Natürlich wollen die alle den Umzug und die Abschlussveranstaltung sehen. Der noch pikantere Rechenfehler ist aber folgender: Der Tunnel hat (auch hier schwanken die Angaben) eine Kapazität von 20.000 bis 120.000 Menschen pro Stunde. Selbst unter günstigsten Annahmen würde eine Totalevakuierung demnach gut zwei Stunden dauern. Dabei ist aber noch nicht berücksichtigt, dass ja wegen der eigentlich wesentlich höheren Besucherzahl immer noch Menschen nachströmen, so wie gestern passiert.
Was dagegen m.E. so pauschal nicht stimmen kann, ist die Aussage, dass eine Stadt wie Duisburg mit 490.000 Einwohnern nicht in der Lage ist, eine solche Menschenmasse aufnehmen zu können. Denn größere Städte haben nicht unbedingt auch größere Plätze, sondern evtl. einfach nur mehr Freiflächen, die jedoch nicht immer zusammenhängen müssen. Der Engpass ist dann eher die An- und Abreise und die Anzahl der Sicherheits- und Hilfskräfte. Im Ruhrgebiet (einer Metropolregion mit rund 5 Mio. Einwohnern) gibt es ein dichtes Autobahnnetz, welches in der Woche ja auch die Blechkarawanen des Berufsverkehrs stemmen muss. Die Bahn hatte den Transport, soweit ich hörte, wohl auch halbwegs im Griff. Natürlich gab es Verspätungen und überfüllte Waggons, aber das lässt sich ja nicht vermeiden. Sicherheits- und Hilfskräfte kann man aus den umliegenden Städten zusammenziehen, das ist bei Großeinsätzen nichts Ungewöhnliches.
Es bleibt also der Eindruck, dass die konkrete Umsetzung, das Sicherheitskonzept und die Wahl des Geländes untauglich waren und dass man folglich unter dem Deckmantel "Kulturhauptstadt 2010" hier die Zahlen schöngerechnet hat, anstatt mal den einfachen Dreisatz anzuwenden. Es ist jetzt natürlich recht leicht, zu sagen "Wir machen die Love Parade nicht mehr". Fakt ist aber, dass weder die Veranstaltung als solche noch die Teilnehmer eine Schuld an dem Unglück tragen. Bei ordentlicher Planung und vernünftigem Sicherheitskonzept sind solche Großveranstaltungen durchaus möglich.