Guten Morgen,
oder gute Nacht, je nach dem, wie man das sehen will, denn ich bin gerade heim gekommen.
Ich war gestern in Stuttgart und die Nacht über.
Über meine Einstellung zum Projekt und was ich politisch denke, will ich gar nicht so viel erzählen, nur kurz : mein Herz schlägt links und ich habe "nein" oben angeklickt.
Meine Eindrücke, die ich speziell gestern abend/heute Nacht empfand will ich mal schildern.
Zuerstmal zu mir als Person was : ich bin weder Anarcho, noch irgendein Anhänger des "schwarzen Blockes", ich laufe einfach immer nur in schwarz rum. So auch gestern : schwarzes T-Shirt, schwarzes Hose und einen schwarzen Kapuzenpulli. Da am Biergarten am oberen Schloßpark, dort wo die Baumfällarbeiten begannen, die ganze Wiese aufgeweicht ist, es ein großes "Schlammfeld" ist, habe ich mir meine Hosen in meine Knöchel-Stiefel reingesteckt, sah ähnlich verboten aus, wie Kleidung der Bundespolizei, aber egal
.
Als es noch hell war/tagsüber störte sich keiner an meinem "Outfit".
Aber als ich nachts mal auf den Bahnhof ging ( wir wollten was essen und mal aufs "Örtchen") schaute man mir als Polizeiaugen nach und ich wurde angesprochen und sollte meine Personalien zeigen
Als wir dann was aßen auf dem Bahnhof fiel mir auf, dass es einigen ähnlich erging : Leute, die ähnlich gekleidet waren wie ich habe ich 2-3 Mal angesprochen gesehen, andere "ökonmäßig" gestylte nicht. Zufall ?
Ich denke, das hat was mit der Kontrolle zu tun, die Leuten widerfährt, die in Stuttgart Zug fahren wollen.
Es stand in den Medien, dass nur jeder runter an die Gleise kommt, der ne gültige Fahrkarte hat. Man darf seine Liebste nicht vom Bahngleis abholen oder hinbringen. Denn die ohne Fahrkarte könnten ja wieder mal die Gleise blockieren.
Ich frage mich : für wie doof halten die die Leute ?
Da kauf ich mir halt in Waiblingen ne Fahrkarte, fahre auf den Stuttgarter Bahnhof, steige dort aus : und bin unten
Ich bin ja ein recht demoerfahrener Mensch und war schon auf mehreren Demos, wo auch von Polizisten geprügelt wurde.
Aber bei aller Wut muss man auch immer eins sehen : es gibt auch andere. Klar, gibts welche, die sehr brutal vorgehen, sich nicht beherrschen können. Aber in diversen Videos sieht man nun auch wieder die "normalen" Polizisten : nach einer Prügelattacke eines haarlosen Stiernackens ( auf sämtlichen "Gegen S21-Webseiten" zu sehen) ist ein recht junger Polizist, der seine Kollegen zurückdrängt, eine Barriere zwischen denen und den Demonstranten bildet und so deeskalierend wirkt.
Da ich die "Leitlinien des Zivilen Ungehorsams" befolge ( also keine Radauschwester bin), schätze ich das natürlich.
Besonders toll finde ich, dass so viele unterschiedliche Gründe gegen S21 zusammenfinden. Leider wird die Gegnerschaft ja auch schon gespalten. Es gibt ja schon seit über 15 Jahren eine Gegengruppe, die erst die letzten Wochen viel Zulauf bekam, aber die sind manchen "zu friedlich", nicht radikal genug usw.
Nun ein paar Eindrücke von der Nacht ( ich hoffe ihr habt bis hierher geschafft) :ein Hügel nahe dem Biergarten wurde mit Flutlichtern ausgeleuchtet. Man sah also schon von weitem, weil der Park sonst recht dunkel war, dass "da vorne" etwas sei. Das Gelände rund um den "Hügel" war aufgeweicht, schlammig, knöcheltief watete man durch diesen Schlamm. Ein relativ niedriger Zaun trennte "Parkwächter" und Polizisten, von denen etwa 100-130 an dieser Stelle waren, "normale" Polizei, während die Stadt von der Bundespolizei "unsicher" gemacht wurde.
Verließ man den Park standen am oberen Ende auf einer gesperrten Straße mind 60 Mannschaftswagen der Polizei.
Also wirklich ein Großaufgebot.
Und wenn man den Medien glauben darf, soll ja bis Donnerstag abend der Polizeieinsatz schon 5 Millionen € gekostet haben. Scheint wohl so als würde nur alleine das auf Dauer den ursprüngl Kostenrahmen des Projektes sprengen
Egal, wem man zuhörte, egal mit wem man sprach : fast jeder hatte einen anderen Grund, warum er da ist.
Eine Frau z.b. wohnt dort in der Nähe und sie hat Angst, dass bei den Bauarbeiten ähnliches wie in Köln passiert und die Straße wegsackt.
Ein anderer Herr hat "geologische" Bedenken. Unter dem Bahnhof sei Gestein wie in Staufen und er hat Angst, dass sowas passiert :
http://www.spiegel.de/wissenschaft/natu ... 44,00.html ( Link mal eingefügt, beschreibt es besser, als wenn ich es erkläre).
Anderen Leuten geht es um den finanziellen Aspekt. Jemand anderes ist gegen das Projekt, weil der Kosten-Nutzen-Faktor nicht gegeben ist. Hätte man danach mehr Bahngleise als jetzt und wäre schneller da, fände er es okay. Aber wegen teils 4 Minuten schnellerer Fahrt, auf manchen Strecken wird es sogar langsamer.....nein, das ginge nicht.
Ökoaktivisten : nicht mal 100 m vom Ort des Geschehens entfernt hoppelten recht viele Hasen rum. Die Hasen gibts/gabsm natürlich auch dort, wo jetzt gebaut wird. Wenn Bäume gefällt werden, Erde ausgehoben wird, wird natürlich Lebensraum von Tieren verdrängt.
Besonders imponiert haben mir die Aktivisten von Robin Wood : sie haben Hängematten in Bäumen angebracht und darin haben sie ihr Hab und Gut und schlafen.
Die Bäume rund um die Baustelle sind durchnummeriert. Überall hängen Schilder, bunte Bänder, Gebetsfahnen, Gedichte, Plüschtieren, Blumen und es stehen Grabkerzen darunter.
Zwischen den Bäumen haben sich Leute für Mahnwachen eingerichtet.
Wirkt teils sehr schön - wenn man den Hintergrund nicht kennt ! Hat etwas von Lagerfeuerromantik.
Teils auch hier aber schon Resignation oder Wut auf andere Demoteilnehmer. So hat ein Mann vor seinem Wachplatz ein Schild aufgestellt mit sinngemäß diesem Text : ich bin gegen Gewalt. Aber eine Revolution kann nicht immer friedlich verlaufen. Warum redet ihr nur warum haben wir bei Beginn der Bauarbeiten nicht die Absperrung durchbrochen und die frisch betonierten Pfosten rausgerissen....wir waren mehr Leute als die Polizei. Ich hoffe ich darf ein paar kleine Bilder anhängen ( selbstgeschossen, also nirgends im Netz "geklaut")
diese Pfeiler hinter den Polizisten sind gemeint.
Also mich hat die Nacht , als das Leben nicht mehr so sehr pulsierte wie tagsüber, es dunkel wurde und die Kerzen natürlich besser zur Geltung kamen, betroffener gemacht.
( okay, sieht man in der Größe schlecht, Kerzen unter Bäumen)
Und was ich schlecht finde : dass dummerweise gerade das Volksfest ist, die Cannstatter Wasn. Je später die Nacht, desto mehr Ärger gab es mit besoffenen Gröhlern, die ja ach so geile Sprüche gegen die Polizei losrief.
Und somit verbal Gewalt provoziert, was dann die, die dort "campieren" ausbaden dürfen.
An einem Stand am Nordflügel hat so ein I***t einfach Werbematerial, Flyer vernichtet
Also zumindest gestern abend/nacht waren die Besoffenen das größte Problem.
@manesse : naja, wenn nicht viele aktiv sind, kann ja auch keiner schreiben......ist leider so. Aber stimmt, Halligallithemen ( wer wird Superstar) finden allgemein in Foren einen größeren Anklang als politische Themen.