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Prognose: "Deutschland versinkt im Elend"

Mo 6. Jul 2009, 15:08

http://magazine.web.de/de/themen/finanz ... gOKi6.html

Neben der plakativen (durchaus streibaren) Überschrift (die das Fazit der Thesen des Politikwissenschaftlers Christoph Butterwegge darstellen), sagt aber aber auch, was eigentlich jeder schon länger befürchtet:

Die Gesellschaft zerfällt immer mehr in Arm und Reich.


Dies liegt an einer Umverteilungspolitik, die durch "Einmal Hartz IV, immer Hartz IV" geprägt ist, zum anderen dort Geld verteilt, wo eh schon welches vorhanden ist (z.B. durch die Abwrackprämie, Steuerpolitik etc.).

Warum sage ich "Einmal Hartz IV, immer Hartz IV"? Nun, es ist ja so, dass man zunächst erst einmal fast alles (bis auf geringe Freibeträge) ausgeben muss, bis man staatliche Leistungen empfangen darf. Die bisherige Existenz muss also weitgehend aufgegeben werden und als Single darf man nicht einmal ein Auto besitzen. Dies behindert aber auch bei der weiteren Jobsuche. Ein Bewerber mit Hartz IV ist hier den anderen bei sonst gleicher Qualifikation i.d.R. benachteiligt. Auch gibt es bekanntermaßen je einen Zusammenhang zwischen Bildung und Armut und zwischen Einkommen und Bildung. Kinder aus Hartz-IV-Familien haben daher nicht die besten Bildungschancen. Somit ist zu befürchten, dass sie später eher als gering Qualifizierte Arbeit finden und damit auch wieder anfällig für Hartz IV sind.

So sehr unser Staat Kinder und sozial Schwache im Stich lässt, so sehr lässt er sich an anderer Stelle verlocken, Autos stärker zu fördern als Familien, und eine Unternehmenssteuerpolitik zu betreiben, die es erlaubt, dass große Unternehmen ihre Gewinne ins Ausland verlagern und die Verluste hier bilanzieren. Natürlich stehen dem kleinen Familienbetrieb um die Ecke diese Möglichkeiten nicht zur Verfügung, so dass hier noch eine Wettbewerbsverzerrung hinzukommt. Der Mittelstand, der eigentliche Jobmotor in Deutschland, verschwindet dadurch nach und nach von der Bildfläche.

Dem typischen Arbeitnehmer und Otto Normalverbraucher stehen demnach zukünftig nur noch Großunternehmen als Arbeitgeber bzw. Bezugsquelle zur Verfügung, die eher am kurzfristigen Gewinnstreben interessiert sind als an nachhaltiger Unternehmensentwicklung, Kundenorientierung und Mitarbeiterwertschätzung. Gerade die Erfahrung der letzten Monate (Datenskandale, Steuerhinterziehungen im großen Ausmaß) zeigte doch, dass es mit der Unternehmensethik der ganz Großen nicht unbedingt zum Besten bestellt ist. Aber eben diese werden gefördert, selbst wenn sie ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben. Oder wer vergibt zur Abwechslung auch mal Milliardenbürgschaften an notleidende KMUs?

Dazu kommt noch die in meinen Augen kranke Preispolitik der letzten Jahre. Seit Einführung des Euros gab es nur Inflationsraten zwischen null und zwei Prozentpunkten pro Jahr. Die gefühlte Inflation der Bürger lag aber weitaus darüber. Die allermeisten bemängeln doch sinkende Reallöhne bei gleichzeitig stark steigenden Preisen. Es gibt dabei auch durchaus empirisch messbare Anzeichen, dass dieses Gefühl der Bürger näher an der Realität liegt als die offiziellen Zahlen.

Und wer sich mal die Preise für viele Freizeitaktivitäten, auswärts Essen und Trinken, etc. anschaut, dem muss zwangsläufig klar werden, dass hier bestimmte Gesellschaftsschichten und Haushaltstypen (nämlich Familien) von vornherein ausgeschlossen werden.

Es sieht so aus, als ob wir uns vom Sozialstaat, wie wir ihn bisher gekannt, verstanden und als moderne Errungenschaft verteidigt haben, langsam aber sicher verabschieden dürfen. Oder ist das doch nur Schwarzmalerei?

Mo 6. Jul 2009, 15:08

Re: Prognose: "Deutschland versinkt im Elend"

Mo 6. Jul 2009, 17:01

Dreamer hat geschrieben:Und wer sich mal die Preise für viele Freizeitaktivitäten, auswärts Essen und Trinken, etc. anschaut, dem muss zwangsläufig klar werden, dass hier bestimmte Gesellschaftsschichten und Haushaltstypen (nämlich Familien) von vornherein ausgeschlossen werden.


Ich kann das nicht beobachten. Wenn man in diesen Tagen durch die Stadt geht, so sind die Straßencafés voll. Die Restaurants, bei denen man draußen essen kann, sind voll. Und wenn man sich die Preise einmal anschaut, so wundert einen das schon. Dann kommt man glatt auf den Gedanken, dass es den Deutschen noch viel zu gut geht.

Aber vielleicht spare ich auch nur am falschen, nein, am anderen Ende.

Re: Prognose: "Deutschland versinkt im Elend"

Do 9. Jul 2009, 16:31

Dreamer hat geschrieben:Seit Einführung des Euros gab es nur Inflationsraten zwischen null und zwei Prozentpunkten pro Jahr. Die gefühlte Inflation der Bürger lag aber weitaus darüber. Die allermeisten bemängeln doch sinkende Reallöhne bei gleichzeitig stark steigenden Preisen. Es gibt dabei auch durchaus empirisch messbare Anzeichen, dass dieses Gefühl der Bürger näher an der Realität liegt als die offiziellen Zahlen.


Zumindest kann niemand abstreiten, dass die Preise für´s "tägliche Leben" um mehr als "nur" 2% jährlich gestiegen sind.
Besstes Rechenbeispiel ist hierfür der Sozialhilferegelsatz für "Alleinstehende",
welcher im Jahre 2000 bei ca. 345,- DM lag.
Heute zahlt der Staat 359,- € (680,- DM).
Sollte ich in der Schule gut aufgepasst haben ist das eine Steigerung von ca. 100% :naja: :lesen:

Re: Prognose: "Deutschland versinkt im Elend"

Do 9. Jul 2009, 20:59

mue1837 hat geschrieben:Sollte ich in der Schule gut aufgepasst haben


:nein: :nein: :nein:

359,- EUR sind nicht 680,- DM :happy:

Bei meinen Reisen stelle ich immer wieder fest, dass es die Nord- und Südeuropäer wesentlich schlimmer trifft. Waren Spanien, Italien und Griechenland doch früher für die Deutschen nicht nur beliebte, sondern auch vergleichsweise günstige Reiseziele, so ist es heute genau umgekehrt. Dort wäre man heutzutage froh, hätte man unser Preisniveau.

Re: Prognose: "Deutschland versinkt im Elend"

Do 9. Jul 2009, 21:31

Dreamer hat geschrieben:dass es die Nord- und Südeuropäer wesentlich schlimmer trifft. Waren Spanien, Italien und Griechenland doch früher


Und was davon liegt nun in Nordeuropa???

:rofl: :rofl: :zunge: :zunge:

Re: Prognose: "Deutschland versinkt im Elend"

Do 9. Jul 2009, 22:07

Nordeuropa war noch nie ein günstiges Reiseziel, da war es immer schon zu teuer :happy:

Re: Prognose: "Deutschland versinkt im Elend"

Fr 10. Jul 2009, 04:52

Die schwedische Krone steht aber schon seit ein paar Jahren sehr günstig.

Re: Prognose: "Deutschland versinkt im Elend"

Fr 10. Jul 2009, 05:00

Dreamer hat geschrieben:
mue1837 hat geschrieben:Sollte ich in der Schule gut aufgepasst haben


:nein: :nein: :nein:

359,- EUR sind nicht 680,- DM :happy:



1,00 € = 1,98... DM ???? :lesen:

Re: Prognose: "Deutschland versinkt im Elend"

Fr 10. Jul 2009, 05:30

Setzen, sechs :happy:

359,- EUR x 1,95583 = 702,14 DM (amtlicher Kurs)
359,- EUR x 1,98 = 710,82 DM (selbst bei Deiner Rechnung liegst Du knapp daneben)

Also alles ab 700 DM hätte ich ich nicht nachgerechnet, aber 680 DM konnte definitiv nicht passen :happy:

Re: Prognose: "Deutschland versinkt im Elend"

Fr 10. Jul 2009, 06:41

Ich kann eine Verelendung eigentlich auch nicht feststellen.
Versucht doch einmal ein Auto zu kaufen, 6 Monate Wartezeit, geht mal in einen Mediamarkt, lange Schlangen an den Kassen, Leute, die aus den Kaufhäusern mit vollbepackten Tüten kommen, gestresste Verkäuferinnen, (dass es Quelle trifft, ist kein Wunder, ich würde dort bestimmt noch bestellen, wenn mir für die gesalzenen Preise auch Qualität geboten würde, ich war jahrelang guter Kunde...)

Versucht am Wochende einen Tisch in einem Restaurant zu kriegen, ...
Ich wollte einen Golfurlaub buchen und habe mich wirklich überall umgeschaut. Bin auf Club Aldiana gekommen, die haben PHANTASIEpreise, würde ich nie bezahlen, aber spaßeshalber habe ich versucht, freie Tage zu finden, NICHTS, alles ausgebucht. Bis weit in den September.
Und nicht nur Aldiana, auch Robinson, und gerade diese Clubs sind für Familien mit Kindern. Ich war selber schon (da noch ohne Kinder)und ich weiß, wieviele Familien mit Kindern dort ihre Urlaube verbringen. Uns waren Cluburlaube immer zu teuer...

Man kann sich Krisen und schlechte Zeiten auch herbeireden.

Re: Prognose: "Deutschland versinkt im Elend"

Fr 10. Jul 2009, 09:05

Mag sein. Ich war allerdings seit 2002 nicht mehr im Urlaub, weil nicht genug Geld da war. Jetzt hätte ich ihn mir leisten können, aber da mir gekündigt wurde, fällt das auch wieder ins Wasser.

Ich hoffe, dass ich niemals Hartz4 beziehen muss, ich habe ab jetzt 7 Monate Zeit, einen Job zu finden, danach müsste ich also mein Auto abgeben und mein Erspartes auch? :eek: ALG1 bekomme ich leider nur ein halbes Jahr, weil ich erst ein Jahr gearbeitet habe. Finde das schon ein bisschen unfair. Ich bin Akademiker, und trotzdem droht mir wegen der Krise Hartz4 (die Leute entlassen lieber statt einzustellen).

Ich werde jetzt versuchen, eine Stelle beim öffentlichen Dienst zu bekommen, dann verkaufe ich mich zwar unter Wert aber ich habe wenigstens einen sicheren Job... :flop:

Re: Prognose: "Deutschland versinkt im Elend"

Fr 10. Jul 2009, 10:37

Dreamer hat geschrieben:Setzen, sechs :happy:

359,- EUR x 1,95583 = 702,14 DM (amtlicher Kurs)
359,- EUR x 1,98 = 710,82 DM (selbst bei Deiner Rechnung liegst Du knapp daneben)

Also alles ab 700 DM hätte ich ich nicht nachgerechnet, aber 680 DM konnte definitiv nicht passen :happy:

ich habe glaube mit 1,89 gerechnet Bild Bild

Re: Prognose: "Deutschland versinkt im Elend"

Fr 10. Jul 2009, 14:54

@ Claudine: Fairerweise sollte man dabeisagen, dass die Reiseveranstalter die Kapazitäten Ende letzten Jahres gedrosselt haben, als die Krise begann. Ansonsten ist da sicher etwas dran. Ähnlich sagt es ja auch Radagast.

Auf der anderen Seite muss man sich auch mal fragen, wie viel Prozent sich in D noch einen halbwegs vernünftigen Urlaub leisten können oder halt einen Restaurantbesuch. Wenn's immer dieselben sind, die mehrmals gehen, während der Rest nicht einmal im Traum daran denken kann, spricht das schon für die Scherentheorie.

@ Happy: Ich drück Dir einfach noch mal die Daumen. Denk an die Worte von Arthur ;-) :top:

@ mue: Na ja, im Ergebnis (rund 100 %) sowie in der eigentlichen Kernaussage passt es ja wieder. Nett, dass wir über Deine Rechenkünste gesprochen haben :happy:

Re: Prognose: "Deutschland versinkt im Elend"

Fr 10. Jul 2009, 15:17

Dreamer hat geschrieben:
Dazu kommt noch die in meinen Augen kranke Preispolitik der letzten Jahre. Seit Einführung des Euros gab es nur Inflationsraten zwischen null und zwei Prozentpunkten pro Jahr. Die gefühlte Inflation der Bürger lag aber weitaus darüber. Die allermeisten bemängeln doch sinkende Reallöhne bei gleichzeitig stark steigenden Preisen. Es gibt dabei auch durchaus empirisch messbare Anzeichen, dass dieses Gefühl der Bürger näher an der Realität liegt als die offiziellen Zahlen.



hierzu passend bei uns gefunden 24538293nx24741/gesellschaft-politik--und-amp-tagesgeschehen-f10/inflation-so-hoch-wie-seit-14-jahren-nicht-mehr-t278.html

Re: Prognose: "Deutschland versinkt im Elend"

Fr 10. Jul 2009, 20:20

Seit 1995 habe sich die absolute Zahl der Niedriglohnbeschäftigten um 2,1 Millionen Menschen erhöht. Damals lag ihr Anteil an der Gesamtbeschäftigung noch bei 14,7 Prozent. Heute sind es 21,5 Prozent.


Unter Niedriglohn versteht das Institut nach OECD-Definitionen Stundenlöhne von 9,62 Euro im Westen und 7,18 Euro im Osten.


http://www.welt.de/die-welt/article4092 ... ehnen.html

Re: Prognose: "Deutschland versinkt im Elend"

Fr 10. Jul 2009, 21:19

Ich frage mich aber schon, ob es ein Anzeichen von Verelendung ist, wenn ich nicht in Urlaub fahren kann oder im Restaurant essen...
Konnte ich früher auch nicht, hab mich deswegen nicht unbedingt arm gefühlt. Essen gehen konnte ich mir auch nicht leisten, ich habe eine Zeitlang Büro geputzt um uns einigermaßen mit über die Runden zu kriegen. Eingekauft hab ich bei Aldi, Klamotten bei Takko und Kik oder was es eben damals an Billigware gab. Als unser Sohn da war, wusste ich einmal nicht, wie ich die Windeln bezahlen sollte, das Konto war restlos überzogen, da kann ich mich noch gut erinnern. Ich weiß gar nicht mehr, wen ich anbettelte, irgendjemand hat mir sicher geholfen, vielleicht sogar die Vermieterin. Wenn mir jemand gesagt hätte, dass ich arm bin, hätte ich ungläubig den Kopf geschüttelt, ich hatte eine Wohnung, hatte zu essen und das Auto bezahlte meine Mutter. Fernseher und Möbel hatten wir eben von Eltern geschenkt bekommen, oder von jemandem, der sich was Neues kaufte. Wählerisch waren wir nicht, wir haben genommen, was wir kriegen konnten und uns über alles gefreut.

Irgendwann wurde es dann besser, aber die Durststrecke ist mir noch gut in Erinnerung und mir hat auch diese Zeit gefallen, die Sorgen um die Schulden und die Zukunft, alles, was ich mir damals an Wünschen erfüllen konnte, war tausendmal mehr wert als heute.
Unser erster "Urlaub" nach dieser Zeit war dann eine Woche bei den Schwiegereltern. Söhnchen hats gefallen...

Heute war ich im großen Einkaufszentrum einkaufen, es war schwierig einen Parkplatz zu kriegen und die Geschäfte waren übervoll.
Armut haben wir in Deutschland, ganz sicher, aber Verelendung ist für mich etwas anderes, das hab ich in Slums gesehen, und ich kann mir nicht vorstellen, dass wir hier Verhältnisse wie in der dritten Welt kriegen.
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