Der Fall Kachelmann - Aufstieg und Fall eines Wetterfroschs
von Dreamer » Fr 26. Mär 2010, 14:05
Der bekannte Meteorologe und TV-Moderator wurde ja bekanntlich wegen eines dringenden Tatverdachts der Vergewaltigung verhaftet.
Auch wenn wir hier die Meldung wegen des Serverausfalls Anfang der Woche nicht sofort posten konnten - mich interessiert die Sache und deswegen verfolge ich das regelmäßig. Dabei geht es mir weniger um die Sache an sich, sondern um die Darstellung in den Medien und die Auswirkungen, die das auf die Person Kachelmann, sein Ansehen in der Öffentlichkeit und damit später auch auf seine Karriere haben wird, ganz ähnlich wie damals bei Michael Jackson und Andreas Türck. Bei Andreas Türck konnte nachgewiesen werden, dass es sich um eine falsche Anschuldigung handelte, bei Michael Jackson konnte der Vorwurf des Kindesmissbrauchs zumindest nicht nachgewiesen werden. Für eine Verurteilung reichte es also nicht aus, aber es blieben Restzweifel. So oder so gibt es immer mindestens ein wirkliches Opfer, entweder gab es tatsächlich eine Gewalttat oder aber eine falsche Verdächtigung, die auch bei erwiesener Unschuld erhebliche Auswirkungen auf den weiteren Lebensweg haben kann.
Im Zusammenhang mit den laufenden Ermittlungen und der Berichterstattung ergeben sich einige interessante Beobachtungen:
1. Kachelmann selber hält sich sehr bedeckt mit Fakten, dagegen verbreiten die Medien sehr widersprüchliche Informationen. So soll es sich bei der "Freundin" einerseits um eine unbekannte Stalkerin handeln, anderseits heißt es, sie seien seit elf Jahren ein Paar. Letztere These wird dadurch gestützt, dass Kachelmann vor der Abreise nach Kanada bei ihr übernachtet habe, was bislang nicht bestritten wurde.
2. Die Mutter des mutmaßlichen Opfers scheint mehr darunter zu leiden als die Tochter. Natürlich ist das nicht ernst gemeint, sondern nur die Wiedergabe der Darstellung in den Medien, da die Tochter ja nun in Behandlung ist, die Mutter sich aber ausgiebig in den Medien äußert. Aber es ist schon bezeichnend, dass man nur über die Personen etwas hört und nicht von den Leuten direkt.
3. Der Abtransport vom Gerichtsgebäude zurück in die Zelle wurde gefilmt und ausgiebig im TV und im Netz gezeigt. Das ist so nicht erlaubt, eine gewisse Privatsphäre steht auch einem noch so prominenten Beschuldigten zu. Das zuständige Amtsgericht gibt an, Kachelmann habe diese öffentliche Inszenierung bewusst gewollt. Dafür spricht seine entspannte Körperhaltung und der Gesichtsausdruck, der uns mitteilte: "Wartet mal ab, Ihr werdet schon sehen, da ist nichts dran!"
Kachelmann scheint im Umgang mit den Medien wirklich sehr routiniert zu sein. Mir selber wäre in U-Haft nicht danach zumute, so in die Kameras zu blicken.
4. Bei der ARD gerät man in Erklärungsnöte in Bezug auf die nicht erfolgte Erwähnung des Vorfalls in der Tagesschau. Begründet wird dies damit, dass es sich um einen reinen Tatverdacht und noch nicht um eine Anklage handelt (so wie damals bei Andreas Türck, über den sehr wohl in der Tagesschau berichtet wurde).
Das ist aber nur ein formaler Unterschied, der hier gar nicht ins Gewicht fallen dürfte. Denn zwar ist es richtig, dass die Staatsanwaltschaft erst Anlage erhebt, wenn sie sich ziemlich sicher ist, dass eine Verurteilung stattfinden wird. Allerdings sind auch an einer Untersuchungshaft hohe Hürden geknüpft. Und hier war es ja so, dass zwischen der Anzeige durch das Opfer und der Verhaftung am Flughafen schon einige Zeit vergangen war und intensive Ermittlungen liefen, die den dringenden Tatverdacht erhärteten. Auch nach der Vernehmung Kachelmanns änderte die Staatsanwaltschaft ihre Ansicht nicht, so dass auch die ARD hätte berichten dürfen, ohne dabei Bauchschmerzen zu haben. Vertuschen konnte man das ja sowieso nicht mehr ... Wenn dann aber mal irgendwann die Anklage stattfindet, wird es sicher befremdlich wirken, wenn dann auch die Tagesschau nach wochenlangem Totschweigen davon berichtet.
Der Vorfall ist aber auch insoweit interessant, als er eindrucksvoll aufzeigt, wie schnell man sich ein müsham aufgebautes Lebenswerk sehr einfach durch eine einmalige schwere Verfehlung - sofern denn eine Vergewaltigung stattgefunden hat - in Sekundenschnelle selber zerstören kann. Kachelmann galt bislang als fleißger Saubermann. Seine Kenntnisse hat er sich im Selbststudium angeeignet, dann die Firma Meteomedia gegründet und zu ihrem heutigen Erfolg gebracht, indem er im wahrsten Sinne des Wortes "frischen Wind" in die Wettervorhersage brachte und sich somit Aufträge sicherte. So war er es, der dafür sorgte, dass die Tiefs nicht nur Frauennamen bekamen und er machte sich auch einen Namen durch die Prognose einiger Unwetter, die der Deutsche Wetterdienst nicht vorhergesehen hatte. Es gab bis dato keine Skandale, Kachelmann galt vielmehr als bodenständiger und umgänglicher Typ - ein Sympathieträger schlechthin also. Aber auch ein intelligentes Kerlchen, das wissen müsste, dass sexuelle Gewalt (auch in der Partnerschaft) heute (und zwar anders als noch vor einiger Zeit) gesellschaftlich so stark geächtet wird, dass damit auf einen Schlag sein Ansehen ruiniert wird. Wir leben nicht mehr in den Zeiten von Chuck Berry oder Roman Polansky, die sich das noch ohne große Imageverluste erlauben konnten. Heute können selbst schon vergleichbar harmlose Vorfälle einem Prominenten das Genick brechen.
Andererseits kann man den "Promi-Bonus" auch nicht von der Hand weisen, denn er kommt selbst dann zum Tragen, wenn die Schuld erwiesen ist. Da starten dann Leute Sympathiebekundungen und Unterschriftenaktion, die ganz anders reagieren würden, wenn das Opfer aus ihrem Umfeld stammen würde.
Ein Mann wie ein Baum - sie nannten ihn Bonsai.