Das haben sicher viele gesehen: Katrin Müller-Hohenstein kommentierte während des WM-Auftaktspiels Deutschland gegen Australien die Situation von Miroslav Klose mit den Worten "innerer Reichsparteitag".
Es folgte ein Sturm der Entrüstung, viele witterten sofort eine Verherrlichung der Nazizeit.
Ich muss sagen, der "innere Reichsparteitag" gehört zu meinem passiven Wortschatz, d.h. ich höre ich gelegentlich, verwende ihn jedoch nicht aktiv. Aber wenn ich ihn höre, dann unterstelle ich dem Sprecher nicht gleich, er wolle braunes Gedankengut verbreiten. Es handelt sich schlichtweg um eine umgangssprachliche Wendung, die mit ihrer ursprünglichen Bedeutung und Herkunft nichts mehr zu tun hat. Sicher kann man der Ansicht sein, dass die Verwendung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ungeschickt ist, aber das war es auch schon.
Schließlich ging es hier um Fußball und die Aussage sollte lauten: Klose hat sich nach all den Rückschlägen der letzten Zeit sehr gefreut. In einem anderen Kontext mag man solche Redewendungen anders bewerten, aber dann ist nicht die Wortwahl das Übel, sondern die Einstellung, die dahinter steckt.
Ansonsten müssten wir richtig entrümpeln: Da gibt es noch das faschistische Schiffeversenken, den nationalsozialistischen
Führerschein und den immerhin monarchischen (also nicht demokratischen) "Willi" (ugs. für Unterschrift), der noch aus Kaiserszeiten herrührt. In Sachen DDR ist man ja heute schon ähnlich vorsichtig. Da wird dann politisch ganz korrekt von der "ehemaligen DDR" gesprochen, obwohl jeder weiß, dass es die DDR seit 20 Jahren nicht mehr gibt und daher der Zusatz überflüssig ist.
Es mag in diesem Zusammenhang aber fast verwundern, dass wir noch unheimlich viele geltende Gesetze aus der Nazizeit haben. Erst seit einigen Jahren wird hier wieder vermehrt aufgeräumt, dies aber auch im Zuge der ständigen Aktualisierung der Gesetzestexte an den Wandel der Gesellschaft, Europarecht etc. Vorher hat man sich dazu entschieden, dass ein Gesetz nicht gleich deswegen ungültig wird, nur weil es zwischen 1933 und 1945 erlassen wurde. Vielmehr gilt als Kriterium, ob es nationalsozialistisch geprägt ist oder nicht. Soweit die Theorie. So manch einer wird jedoch erstaunt sein, wenn er sich dieses immer noch geltende Gesetz hier mal durchliest:
http://www.gesetze-im-internet.de/nam_n ... 90938.htmlDer bundesdeutsche Gesetzgeber hängt hier ganz deutlich, fast schon wehmütig an den Strukturen aus brauner Vorzeit. Oder etwa nicht? Immerhin wurde dieses Gesetz schon mehrfach geändert, da hätte man die Begriffe aus der Nazizeit ("Reichsregierung", "Reichsminister des Innern") doch gleich anpassen können ...
Ein Mann wie ein Baum - sie nannten ihn Bonsai.