Menschen genießen auch am Arbeitsplatz das Recht auf freie Entwicklung der Persönlichkeit und körperlicher Unversehrtheit. Doch leider werden diese Rechte immer noch viel zu häufig missachtet. Die Folgen für die Opfer sind gravierend. Allerdings ist die Öffentlichkeit noch nicht genügend für diese Belastungen sensibilisiert. Betroffene haben es häufig schwer, Verständnis für ihre Situation entgegengebracht zu bekommen und werden manchmal sogar als "Weicheier" abgestempelt.
1. Was bedeutet eigentlich das Wort Mobbing und was heißt Belästigung?
Als Mobbing werden in der Arbeitswelt gezielte, länger andauernde Angriffe auf eine Person bezeichnet. Die entsprechende Person soll dabei ausgegrenzt oder als Sündenbock missbraucht werden. Sie ist in dieser Situation unterlegen.
Mobbing kann durch Kollegen oder durch Vorgesetzte geschehen, Letzteres wird oft auch als "Bossing" bezeichnet. Ebenso ist Mobbing "nach oben" denkbar.
Neben strafrechtlich relevanten Handlungen wie Beleidigung, üble Nachrede, Verleumdung und Tätlichkeiten gehören zum Mobbing Dinge wie systematisches Ignorieren, permanentes unberechtigtes Beschimpfen, Kritik an der Arbeitsleistung, obwohl die Aufgabe nicht erfüllbar ist, zum Beispiel beim Entzug von Arbeitsmitteln oder Kompetenzen, sinnlose Ermahnungen vor Kollegen und Sabotage der Arbeitsergebnisse.
Dabei müssen kleinere Konflikte und einmalige Entgleisungen hingenommen werden. Nur systematische, über längere Zeit betriebene Handlungen, die zum Ziel haben, das Opfer "fertigzumachen", gelten als Mobbing.
Belästigung am Arbeitsplatz kann definiert werden als Diskrimierung einer Person aufgrund ihrer Merkmale (zum Beispiel Herkunft, Geschlecht und sexuelle Orientierung, Behinderung, Alter und Religion). Sie geht einher mit Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen und verletzt somit die Würde des Opfers.
Belästigung geschieht meist nicht mit der Absicht, das Opfer wie beim Mobbing auszugrenzen, hat aber in der Regel dennoch genau das zur Folge. Oft handelt es sich dabei um ein eher unbedarftes und unüberlegtes Verhalten einer einzelnen Person, welches aufgrund von Gruppenzwängen oder Hierarchien von anderen übernommen oder zumindest toleriert wird. Dann wird es für die Betroffenen besonders schwer, sich zu wehren.
Beispiel: In der Gegenwart eines ausländischen Mitarbeiters werden auffällig viele fremdenfeindliche Witze gemacht, ein Behinderter wird mit abwertenden Bemerkungen begrüßt, Fähigkeiten werden aberkannt: "Als Frau können Sie das nicht", etc.
Besondere Bedeutung hat dabei die sexuelle Belästigung. Sie gilt als Diskrimierung aufgrund des Geschlechts. Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz unterscheidet sich von der sexuellen Nötigung durch die geringere Schwere. Im Gegensatz zur sexuellen Nötigung genügen hier schon Witze oder leichte Berührungen.
Nicht geregelt ist hingegen etwa die Benachteiligung kinderreicher Personen oder von Rauchern/Nichtrauchern und Kranken.
Weder Mobbing noch (sexuelle) Belästigung sind in Deutschland eigene Straftatbestände, sehr zum Leidwesen der Betroffenen, da dies die rechtliche Handhabe und somit die Abwehr dieser Angriffe erheblich erschwert.
Es besteht also keine Möglichkeit für die Opfer, dieses Verhalten bei der Polizei anzuzeigen. Dadurch gibt es auch keine Ermittlungen. Die Beweise müssen Betroffene somit selber sammeln und vorlegen.
Vor allem Mobbing, aber auch sexuelle Belästigung lässt sich oft in einzelne Bestandteile (Beleidigung, üble Nachrede, Verleumdung, etc.) zerlegen, welche strafrechtlich relevant sind. Allerdings bringt ein solches Vorgehen meist nicht den gewünschten Erfolg. Die Staatsanwaltschaften können das Opfer in diesen Fällen mangels öffentlichen Interesses auf den Privatklageweg verweisen.
Als Opfer von Mobbinghandlungen und Belästigungen hat man gegen das Unternehmen Anspruch auf Schadenersatz und Schmerzengeld, wenn der Chef nicht eingreift. In der Arbeitswelt bedeutet dies für das Opfer der Weg zum Arbeitsgericht. Dies sollte wegen des regelmäßig unsicheren Ausgangs solcher Prozesse nur nach Abstimmung mit einem in der Materie erfahrenen Anwalt geschehen, da ein Unterliegen Nachteile im Beruf nach sich ziehen kann und weitere Anfeindungen ja geradezu provoziert. Erschwerend hinzu, dass vor allem beim Mobbing die Beweislast beim Opfer liegt, während die Beweislast bei Belästigungen (wie auch die Entschädigungsansprüche) im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz geregelt ist. Die Regelungen für Mobbing ergeben sich zum großen Teil nur aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers und der Rechtsprechung.
Aufgrund dieser Gesetzeslücke eignet sich Mobbing leider hervorragend für Vorgesetzte, einen mittlerweile unerwünschten Mitarbeiter "hinauszuekeln", um den Kündigungsschutz zu umgehen.
Lediglich wenn die Mobbinghandlungen Diskriminierung beinhalten, kann es sich dabei um Belästigung gemäß dem AGG handeln. Die Stellung der Betroffenen wird dadurch erheblich verbessert (Beschwerderecht, Beweiserleichterung, definierte Entschädigungsansprüche, Verbot der Maßregelung wegen der Beschwerde).
Sexuelle Nötigung und sexueller Missbrauch Schutzbefohlener (Jugendliche unter 18 Jahren) sind dagegen Straftatbestände und werden auf Antrag strafrechtlich verfolgt. Deshalb sollte derartiges Verhalten sofort angezeigt werden. Wenn es zum Verfahren kommt, kann das Opfer sich daran als Nebenkläger beteiligen und seine Ansprüche (Schadenersatz, Schmerzensgeld) in einem sog. Adhäsionsverfahren geltend machen.
Eine besondere Problematik besteht darin, dass Opfer derartiger Belästigungen und Angriffe häufig nicht in der Lage sind, sich aus eigener Kraft zu wehren. Entweder sie sind aufgrund der Situation zu sehr geschwächt oder sie trauen sich nicht, da der Druck aufgrund der Abhängigkeit im Beschäftigungsverhältnis zu groß ist. Gerade für Arbeitnehmer stellt die Angst um die Existenz also ein gravierendes Hindernis dar, sich zu wehren.
Umso wichtiger ist auch die Unterstützung der Betroffenen durch die Familie im Kampf gegen Mobbing & Co., vor allem, wenn sie im Betrieb niemanden auf ihrer Seite haben. Das passiert sehr häufig, da die Kollegen meist auch Angst vor Angriffen gegen sich selber haben. Sie sehen deshalb weg und sind dann als Unterstützung bzw. hinterher als Zeugen nicht zu gebrauchen. Wer dagegen als Arbeitskollege mitbekommt, wie jemand belästigt wird, sollte den Mut aufbringen, dem Betroffenem zu helfen.